Rosenkohl stutzen?

September 2001 Unterschiedlich stark ausgeprägt entwickeln sich bei den meisten Pflanzen normalerweise die Terminal- (oberen) schneller als die nachgeordneten Seiten-Knospen, obwohl man annehmen könnte, dass gerade der Wipfeltrieb wegen seiner "ein Stockwerk" höheren Ansiedlung in der Versorgung mit Aufbaustoffen durch die Assimilate exportierenden Blätter und den Nährsalzen aus der Wurzel eher benachteiligt sein müsste.
Die Seitenknospen werden also in ihrer Größenzunahme gehemmt. Diese Erscheinung wird als Spitzenwachstum oder Apikaldominanz (apikale Dominanz) bezeichnet. Rosenkohl bildet da keine Ausnahme: Seine Triebspitze "unterdrückt" ebenfalls die tiefer sitzenden oberen Röschen. Entfernt man die Gipfelknospe, stutzt also die Pflanze, so wird deren Spitzenwachstum gebrochen, und die Seitenknospen übernehmen das "Ruder" (s. Foto). Je früher eine Rosenkohlpflanze entspitzt wird, je größer mithin ihre noch von höheren Temperaturen und stärkerer Einstrahlung, aber auch durch eine bestimmte, vom Alter abhängige Wuchsstoffrelation (Auxin : Gibberellin) beeinflusste Wuchskraft ist, desto üppiger entwickeln sich die oberen Röschen: Sie werden schnell wertlos: groß, aufgeblasenlocker, "wachsen sich kaputt".
Das Köpfen des Rosenkohls kann neben Ernteverfrühungen, verringerter, ggf. einmaliger Pflücktermine auch Ertragssteigerungen um die 10 bis 15 % erbringen. Es lohnt sich besonders bei Sorten, die "pyramidal wachsen", d. h. bei den Züchtungen, deren Rosen unten immer weiter entwickelt sind als oben. Doch im modernen Sortiment werden diese immer rarer, weil vor allem der Erwerbsgemüsebau mit der einmaligen Maschinenernte die Züchtungsziele vorgibt. So findet man in der "Beschreibende(n) Sortenliste des Bundessortenamtes 1995" denn auch von 29 aufgeführten nur noch sechs, deren Rosenentwicklung "nacheinander", also pyramidal erfolgt. Die übrigen 23 sollen genetisch eine "gleichzeitige" ("zylindrische") Knospenausbildung in die Wiege gelegt bekommen haben. Inzwischen ist das Verhältnis vermutlich noch ungünstiger.

© Titze
Im Gegensatz zum Entfernen des Wipfeltriebes muss das Laub möglichst immer lange an der Pflanze verbleiben. Bei dieser Gemüseart ernährt offenbar jedes Blatt insbesondere das ihm am Stamm aufsitzende Röschen. Mithin verzögert sein vorzeitiges Entfernen dessen Wachstum.
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