Ziergarten: Zwergenaufstand

Einleitung

Juli 2017 Kitsch? Oder Kult? Gartenzwerge polarisieren. Vielmehr: Sie polarisierten. In abgewandelter Form erobern kleine Wesen neue Liebhaber. Das ist bestimmt auch etwas für Sie!

Setzt die Lust auf zipfelbemütze Wesen inzwischen Patina an wie das Beispiel im Bild rechts? Nun: Manche lieben Gartenzwerge nach wie vor, was sie der Welt mit deren Ansiedelung in ihrem Vorgarten selbstbewusst kundtun. Andere verwenden sie für teils derbe Späße und stellen Exemplare mit dem Gesicht bekannter Politiker, mit einem Dolch im Rücken oder als Exhibitionist zur Schau. Wieder andere finden ­Gefallen daran, sich den als spießig geltenden Gesellen mit einem Augenzwinkern anzunähern und Szenen damit zu inszenieren.

Ein bisschen Kitsch darf (wieder) sein nach oben

Erlaubt ist, was gefällt − und niemandem schadet. Zwar ­verhandeln Gerichte weiterhin Streitigkeiten, zum Beispiel wenn ein Nachbar sich von den Zwergen des anderen provoziert fühlt. Zuweilen nachvollziehbar: Wem sich von nebenan ein Mittel­finger oder die entblößten Hinterbacken eines ­Gartengnoms präsentieren, der braucht Nerven. Innerhalb der rechtlichen Grenzen darf jedoch jeder den Vorgarten ganz nach seinem persönlichen Geschmack ausstatten.

Wer den Gartenzwerg auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten vermutet, liegt daneben. Eher gehen Zipfelkappenträger in die Runde 2.0. Sie kommen in Pink und Neongrün daher, in Schwarz-Rot-Gold, mit Laptop, Handy, Sonnenbrille, Glitter, mit Tattoo − oder als Tattoo. Selber­macher setzen Steinen Mützen aus Gipsbinden auf und kleben Bartflechten ans Gesicht mit Styroporkugelnase. Oder sie malen das zugespitzte Ende eines Stück (Schwemm-) Holzes rot an und zeichnen minimalistische bis realistische Bartgesichter darunter. Wenn Sie nicht gerne basteln und dennoch etwas Indi­viduelles möchten, lassen Sie sich einen Zwerg nach Ihrem Wunsch gestalten. Das Internet macht's möglich.

Vom Schrumpfen der Gartenzwerge nach oben

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Je kleiner, desto niedlicher. Spielereien, wie die unter­nehmungslustig dreinschauende Zwergengesellschaft auf einem bemoosten Stein 1, können in diesem Fall bestimmt sogar Verächter der rotbemützten Gartengesellen etwas ab­gewinnen. Schließlich prangen die Minis nicht als prominenter Blickfang auf dem Grundstück, sondern sind für Besucher und ­Passanten im Gegenteil erst auf den zweiten Blick ersichtlich − wenn überhaupt! Einmal entdeckt, reizen sie zum Kichern.

Deserteure vom Modelleisenbahngelände nach oben

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Anstelle der traditionellen Gartenzwerge entdecken Miniatur­fans inzwischen die in irgendwelchen Kartons schlummernden H0-Figuren ihrer Modelleisenbahnen neu. Wie hintersinnig, wenn Bauarbeiter sich um die "Restaurierung" eines Kaktus' kümmern 2! Und wie witzig, wenn die Größenverhältnisse bewusst paradox eingesetzt werden! So scheint der Mann mit dem Laubbläser 3 eigentlich ganz natürlich. Das für die Figur überlebensgroße Blatt verändert sich für uns ober­flächlich gesehen zu irgendeinem Element der winzigen Landschaft. Die Widersprüchlichkeit entsteht im Kopf des Betrachters.

Die etwas anderen Garten-Zwerge nach oben

Deutschlands Gärten werden immer kleiner. So winzig sogar, dass man sie mit sich herumtragen kann. Das Phänomen gibt es schon länger, vor allem in England. So tauchten im Wald bei Somerset perfekt angepasste Türchen zu "Feenhäusern" zwischen den Wurzeln an Baumstämmen auf. Zu Hunderten. Ganze Läden gibt es, die Miniaturen aus allen Lebensbereichen führen. Berühmt wurde auch der Pothole Gardener (Schlagloch-Gärtner) Steve Wheen, der sich als Radfahrer in London nicht mehr über Schlaglöcher ärgern wollte und deshalb Mini-Gärtchen darin schuf. Das macht Schule. Und Spaß!

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So kann sich nun wirklich jeder nach seinem Gusto ausleben. Der Tüftler, der sämtliche Details maßstabsgetreu verkleinert, wie einst bei der Modelleisenbahn. Die Fantasievolle, die ein Vogelparadies in einen Baumstamm zaubert 4. Oder sich eine kleine Märchenwelt mit Marienkäfern, Pilz, Schildkröte, Zäunchen und bunt blühenden ­Einjährigen erschafft 5. Der Pfiffikus, der ein Ruheplätzchen mit Bank in einer Tragekiste arrangiert 6. Der Topfgärtner, der sein Fernweh mit einer "Osterinsel" lindert 7. Selbst vor Tassen und Müslischüsseln machen Miniaturgarten-­Gestalter nicht halt. Wenn das nicht ansteckend ist! Wäre der Frosch in seiner Bademuschel 8 nicht ein tolles Mitbringsel für das nächste "Opfer"?

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Buch-Tipp nach oben

Janit Calvo: "Gärtnern im Kleinformat: Die eigene lebendige Miniaturwelt erschaffen".

Janit Calvo
"Gärtnern im Kleinformat: Die eigene lebendige ­Miniaturwelt erschaffen"
gebunden, 256 Seiten, 19,99 Euro,
frechverlag, ISBN: 3772475345

Annette Kunkel: "Tassengärten: Lebendige Gartenszenen in kleinen Gefäßen",

Annette Kunkel
"Tassengärten: Lebendige Gartenszenen in kleinen Gefäßen",
gebunden, 64 Seiten, 12,99 Euro,
frechverlag, ISBN: 377247618X

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