Küchengarten: Wundverschluss − ja oder nein?

Einleitung

Januar 2016 Beim Obstbaumschnitt entstandene Wunden mit einem größeren Durchmesser als der eines Fünf-Mark-Stücks sollen mit einem Verschlussmittel bestrichen werden. Sagen die einen. "Bloß nicht!" sagen andere. Wir fragten den Profi Rolf Heinzelmann, wie er es damit hält.

Herr Heinzelmann, Wundverschluss beim Obstbaumschnitt ist kompliziert. Oder?

Er wird kompliziert diskutiert. Dabei ist es einfach, wenn man den Baum dabei unterstützt, sich selbst zu helfen. Ob ein Schnitt gut heilt, hängt vor allem von der Schnitttechnik und vom Zeitpunkt des Schnitts ab. Außerdem sollte man für den Baum von Anfang an genug Platz einplanen.

Genug Platz? Was hat das mit der Wundheilung zu tun?

Wir versuchen, dem Baum erst gar keine größeren Wunden antun zu müssen. Also achten wir darauf, dass er seine Krone entfalten kann und nicht irgendwann einen stärkeren Rückschnitt braucht. Ein Hochstamm braucht 10 × 10 Meter, ein Halbstamm 6 × 6 Meter. Ab der Pflanzung schneiden wir regelmäßig, um dem Baum die gewünschte Kronenform zu geben. So vermeiden wir größere Wunden − also Schnitte mit mehr als 20 Zentimeter Durchmesser.

Was aber, wenn ich einen ungepflegten Obstbaum von einem Vorbesitzer "erbe" oder wenn mal ein Ast abbricht?

Dann müssen Sie tatsächlich größere Schnittwunden in Kauf nehmen. Jetzt kommt es darauf an, so zu sägen, dass der Baum möglichst gute Bedingungen für die Heilung hat. Wenn Sie sich anschauen, wie der Ast am Stamm ansitzt, erkennen Sie einen wulstartigen Ring, den "Astkragen". Dort befindet sich direkt unter der Rinde das Kambium, also wuchsfreudiges Gewebe. Es überwallt die Wunde. Sägen Sie den Ast so ab, wie er am Stamm verankert ist, also von oben nach unten etwas schräg verlaufend. Den Wulst stehen lassen, aber keinen Stummel.

Große Wunden kann der Baum nicht immer ganz überwallen. An diesem Apfelbaum beginnt die Mitte des Schnitts schon, zu verfaulen.

Bei solchen Wunden wird geraten, ein Wundverschlussmittel aufzubringen, damit keine Schaderreger eindringen.

Früher galt ja auch der Winter als bester Zeitpunkt für den Gehölzschnitt. Dabei hatten die Bauern früher halt bloß von Januar bis März Zeit dazu. Das Gewebe des Baums wächst allerdings am besten, wenn er im Saft steht. Dann kann er auch mit dem Saftstrom Abwehrstoffe gegen Eindringlinge zur Wunde transportieren. So gesehen ist der Schnitt im Sommer vorteilhafter. Dann trocknet die Wunde auch schneller ab. Schlecht für Bakterien und Pilze: Sie brauchen Feuchtigkeit.

Also braucht man heute keinen Wundverschluss mehr?

In manchen Fallen ist er noch sinnvoll. Beim Pflanzschnitt am Leit- und Mitteltrieb verhindert ein Tupfen Wundverschluss, dass die obersten Knospen austrocknen. Bei ganz großen Wunden schneiden Sie, falls nötig, den Rand glatt. Aber nur das, was übersteht! Dann verstreichen Sie ein Verschlussmittel auf den Rand.

Bei der jungen Pflaume ist der "Astkragen" am Stamm gut zu erkennen. Die rote Linie zeigt, wo der Sägeschnitt ansetzen sollte.

Warum raten manche vom Wundverschluss ganz ab?

Einige "künstliche Rinden" bilden feine Risse, wenn das Gewebe wächst. So kann fäulnisfördernde Feuchtigkeit eindringen. Deshalb verwende ich, wenn es sein muss, Mittel mit Fungiziden, also mit pilzabtötenden Wirkstoffen. Wer das nicht möchte: Produkte aus Naturharzen verbinden sich fest mit dem Holz und sind elastisch. Sie sind daher die beste Wahl.

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